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Meditieren lernen - Versenkung im Licht

Teisho - Zen-Meister Hinnerk Polenski
Daishin Rinzai Zen Ango Sesshin - Juli 2017

 

Atta dipa vihahata – atta sarana ananna!
Ich bin das Licht, ruhe in mir selbst, und sonst nichts.
Du bist das Licht, ruhe in dir selbst, und sonst nichts.

Seit unendlichen Zeiten, seit wir Menschen die Augen geöffnet haben, spüren wir, erforschen das Leben und das Geheimnis, das damit verbunden ist, versuchen zu enthüllen, spüren die Menschen, dass das mehr ist, als das, was unser kleines Ich an Raum erzeugt. Für den einfachen Geist hat man dann große Dimensionen geschaffen, die nachvollziehbar sind, die menschen-ähnlich sind, Götter und einfache Strukturen, wo der Mensch dieses Spüren auslagern kann und somit beruhigt sein Leben lebt. Immer wissend, dass er irgendetwas verfehlt, ja sogar verpasst. Denn der Sinn des Lebens ist nicht, den Sinn selber auszulagern und zu delegieren oder anthropomorph - d.h. Mensch-bezogen - zu definieren.

Die Menschen, die man Weise nannte, die sich auch auf einen Weg gemacht haben, haben dann schon andere Worte aus ihren Erfahrungen genutzt. Man kann sich von Gott kein Bild machen. Anfang und Ende trifft nur für uns Menschen zu. Ewigkeit ist Ewigkeit, ohne Anfang, ohne Ende, ohne Zentrum. Weil diese Dimension des Absoluten mit jedem Wort, das ich dafür benutze - sei es das Göttliche oder Gott oder Ewigkeit - immer wieder ein unendliches Feld an Assoziationen und Geschichten und auch an geschehenen Dingen assoziiert, sprach Buddha von Shunya - Leerheit.

Er hat den Menschen alles aus der Hand genommen, was ihn einengt. Er hat erklärt, wenn du den kleinen, unendlich engen Kasten des Ichs, der dem Gesetz von Geburt, Altern, Krankheit, Sterben und Tod unterliegt, wenn du diesen Kasten vergrößerst, mit größeren Worten, dann wird deine Verstrickung nur größer. Also sie führt nirgendwo hin, auf gar keinen Fall in Freiheit. So haben alle großen Mystiker, die frei waren von dogmatischen Religionen, Menschen, die anderen Menschen - auch religiösen Menschen - gedient haben, immer wenn sie eine gewisse Tiefe erreicht haben, all diesen Unsinn weggeworfen. Einer der größten christlichen Mystiker - dessen Namen wir nicht kennen - der Autor der „Wolke des Nichtwissens“, weist darauf absolut unnachgiebig hin.

Besonders die Weisen und Heiligen des Ostens, die nicht nur vereinzelt einen mystischen Weg gingen, sondern ein gigantisches didaktisches System geöffnet haben für alle Wesen, haben dieses als die Grundvoraussetzung des Weges vor uns hin gelegt. Den Mut zu haben, alles wegzuwerfen, um an dieses Meer der Ewigkeit, der Raumunendlichkeit und viele andere Orte - tibetisch Urgrund, reiner Geist, großer Geist, Herzgeist ... - hinein zu springen. Wir müssen die Kleinheit unseres Denkens aufgeben. Meine Kritik an der Esoterik ist, dass eine Erfahrung spiritueller Natur wieder in einen kleinen engen Kuchenkasten gepackt wird, die dann so ein befindliches schönes kleines Gefühl widerspiegelt. Wenn dieses als Ausgangspunkt für Sehnsucht und als Motivation und Motor wirklich Befreiung zu erlangen gilt, dann gut - dann soll es so sein. Aber reiner Geist ist nicht klein.

Der Landesbischof Ulrich - als wir im Schleswiger Dom zusammen eine Veranstaltung machten - sagte zu mir privat: „Für mich ist der Begriff Ehrfurcht vor Gott zutiefst spürbar und gleichzeitig ein Tor.“ Dieses Wort ist unheimlich altmodisch, wir wollen heute Spiritualität konsumieren, wie Wellness-Shampoo. Man vergeht sich an sich selber, wenn man das tut. Wir sind klein, wir sind Menschen und in uns ruht etwas Gigantisches. Solange wir in dieser Kleinheit sind, in unserem Ich, hat dieses Ich tiefen Respekt vor dem Großen in uns selbst. Im Zen nennen wir es Buddha-Natur oder Bodhicitta - Erleuchtungsgeist.

Heutzutage, in der postmodernen Gesellschaft hat niemand mehr Respekt, leider nicht mehr voreinander, das ist sehr schade; aber leider auch nicht vor sich selbst, das ist tragisch. Selbstentwertung, sich klein machen ist genauso respektlos wie Selbstgefälligkeit und falsch verstandene Weisheit.

Die Freiheit ist grenzenlos.
Reiner Geist ist ewig und gleißend.
Unser Herz das Tor.

Seit ewigen Zeiten, seit der Mensch auf dieser Welt wandelt, erhebt er das Haupt oder er spürt die Erde und die wahre heilige Schöpfung. Er fragt sich in seiner kleinen Form, in der wir alle sind, wie komme ich dahin? Ist es etwas was außerhalb von mir ist, was ich nur bewundern kann? Nein, sagen die Mystiker - unio mystica. Der Osten lehrt einen didaktischen Weg. Alle großen Weisen respektieren die Leerheit des Zen – Mushin. Man spricht vom großen Tod und der Wiedergeburt im Leben.

Wie kann ich diesen Weg betreten? Zuerst sitze ich in einer festen Haltung, in einer Form, die fest und angenehm ist. Angenehm nicht im Sinne des Egos, sondern angenehm im Sinne der großen Einheit. In einer Ausrichtung dem Ewigen, dem Unendlichen gegenüber, der Einheit oder gar der Leerheit. Das ist die richtige Ausrichtung und da werden wir feststellen, da kann ich stundenlang so sitzen. Wie komme ich in dieses Nichts? Wie komme ich in diese Leere? Wie komme ich in diese Freiheit? Wie komme ich in diesen gleißenden Geist? Gar nicht. Erst einmal gar nicht. Solange wir wir selber sind, geht es nicht. Also ist das erst einmal eine Paradoxie, und deshalb sprechen die Meister von Absichtslosigkeit als Voraussetzung. Die Übung der Nicht-Übung und all diese Dinge. Aber das bringt uns nicht weiter, wenn wir hier am Anfang sitzen. Die Knie tun weh, Denken, wir haben Emotionen oder Ärger oder Wünsche.

Vor uralter Zeit haben alte Weise einen Weg gefunden, der unglaublich einfach ist. Das Zen und viele Richtungen des Buddhismus, aber auch das Yoga Darshana des Patanjali, haben diesen Weg aufgenommen und in ein großes didaktisches Feld übersetzt, dass uns zur Verfügung steht. Wenn ich Nichts werden will, so Nichts, dass ich alles bin, dass ich Gott bin, dass ich das Göttliche bin, das Ewige bin, Nichts bin, weder Buddha, noch Geist, noch Ding, kein Kommender, kein Gehender, kein Sprechender, wenn niemand und nichts mehr hier ist, außer Ewigkeit. Wenn ich diesen Weg gehen will in diese Dimension des Nichts, dann nehme ich etwas und fokussiere mich darauf. Dieses etwas nennt man das Meditationsobjekt.

Meditation besteht erst einmal aus der rechten Haltung, die eine unglaubliche Weite in der östlichen Tradition hat und zwischen Hinduismus, Vedanta, Yoga, den alten Vedischen Richtungen, den verschiedenen Formen des Buddhismus, Theravada, Mahayana, Zen, Vajrayana und den unglaublich großartigen Formen des Taoismus kaum abweicht. Diese Haltung, diese Ebene der rechten Haltung erfährt jetzt eine tiefe Brücke, die fest und gehbar ist: ich fokussiere mich auf ein Objekt. Dieses Objekt nennt man Meditationsobjekt.

Im Yoga nennt man das Bija Samadhi, Prajnata Samadhi, Vikalpa Samadhi. Der Weg der Jhana Stufen, die erste: Einspitzigkeit. So besteht die Meditation in den unendlich vielen Formen des Zazen, des Sitzens - das ist die einfachste Form der Meditation, mit Abstand die einfachste Form - aus vielen Objekten und Übungen und Techniken, aber einer sehr ähnlichen, immer wieder auftauchenden Haltung. So kann das Objekt der Betrachtung der Atem sein oder in alter Zeit bei Buddha die Nasenspitze oder ein Mantra, verschiedene Formen, die Betrachtung des Körpers, der Hände oder eine Visualisierung wie wir sie im Vajrayana kennen.

Bijam ist der Keim. Nun zeigen einige große Linien - da gibt es verschiedene Angebote, aber nicht so richtig viele - hier einen didaktischen Weg. Ein Weg ist Dharana - Dhyana – Samadhi, das es im Daishin Zen wie auch im Yoga gibt. Ein sehr fester tiefer Weg sind die acht Jhana Stufen. Es geht immer darum, von der Meditation mit einem Objekt, einem Keim – Bijam - in die gegenstandslose Meditation zu kommen. In die gegenstandslose Meditation, wo das Objekt vergessen ist, die Übung vergessen ist und somit als höchste Dimension der Übende vergessen ist. Ist der Übende vergessen, ist keiner mehr hier, ist keine Zeit, nur Ewigkeit. Niemand kommt, niemand geht, niemand stirbt, niemand wird geboren.

Ewigkeit ist keine zeitliche Dimension.
Ewigkeit findet nicht in Zeit statt.
Ewigkeit ist jetzt.
Genau jetzt ist Ewigkeit.
Immer wieder jetzt. So hält die Zeit an.

So löst sich der Keim auf in Abija Samadhi, Aprajnata Samadhi, Nirvikalpa Samadhi – Begriffe aus dem Yoga. Im Zen ganz einfach: Mushin. Viele Formen von gegenstandsloser Meditation entstehen. Sie haben ihren Ursprung in einer keimvollen Versenkung und werden zur keimlosen Versenkung - die gegenstandslose Dimension von Nicht-Übung. Es gibt viele Formen dort, aber die spielen im Moment keine Rolle. Sondern einzig und allein ist der Weg: ich kann mich auf ein Objekt, auf ein Meditationsobjekt, von Meistern entwickelt, in verschiedenen Traditionen bewährt, fokussieren und kein anderes Objekt - also kein Gedanke, keine Emotion - der wir jetzt Raum geben, auch keine Körperempfindung, auch keine unterscheidende Wahrnehmung und auch keine Dimension von Willen und auch das, was wir als Bewusstsein empfinden, spielt keine Rolle, sondern nur dieses Objekt. Einzig und allein.

Erst Konzentration, dann Meditation, dann Versenkung. Erst rechte Anstrengung, dann rechte Achtsamkeit, dann rechte Versenkung. An dieser Stelle - und das ist das faszinierende - sind das Yoga - ich meine das tiefste Yoga, das Raja Yoga, das königliche Yoga des Patanjali - und das Buddha Dharma, das sehr viel älter ist, in einer wunderbaren harmonischen Ähnlichkeit. Der achtfache Pfad und das Ashtanga Yoga sind ähnlich in einer freundschaftlichen Gemeinsamkeit. Aber man muss bis dorthin vordringen. Der Beginn im edlen achtfachen Pfad des Buddha ist rechte Anstrengung.

Rechte Anstrengung ist die Fokussierung auf das Meditationsobjekt und das Halten im subjektiven Empfinden, dass einem das misslingt. Deshalb nennt man das auch Übung, und Ango heißt Übungsperiode, weil wir etwas üben. Wenn wir von Geburt das alles könnten… – Buddha Natur ist von Geburt aus da, aber irgendwie scheinen wir da nicht zu sein. Dieses Sein sich zu erobern ist die Übung. Rechte Anstrengung: ein Objekt. Immer wieder Dinge, die mich da raus bringen: der Körper, Gefühle, Wahrnehmung, Willensregung und Bewusstseins-Gedanken. Immer wieder Übung und Anstrengung, mühevoll, ausdauernd. Und dann irgendwann ist das Objekt in der Mitte. Meditation, rechte Achtsamkeit bedeutet, ich halte das jetzt hier, es ist mit Leichtigkeit zu halten. Wie wenn man mit einem Segelboot im Sommer schippert und die Ruderpinne leicht festhält, man darf keinen Blödsinn machen. Es ist ansonsten nicht so schwierig.

Rechte Achtsamkeit ist offene Weite, Leichtigkeit, genussvoll in diesem Fokus, der sich mehr und mehr öffnet, zu verharren. Und dann dieser Moment, wo die Übung verschwindet und man sich wundert. Dann plötzlich wundert sich auch niemand mehr, dann ist keiner mehr da, Samadhi - rechte Versenkung. Hier braucht es Mut und je mehr Mut wir haben, nämlich aus dem Objekt, aus der Form heraus zu springen in die Nicht-Übung - das macht jeder, das ist Glückseligkeit, wunderschönes Herz, ganz toll - das ist schon mal gut. Aber wenn wir wirklich diese wunderbare Chance von Samadhi - rechter Versenkung - nutzen wollen, dann brauchen wir wahren Mut, nämlich nicht nur die Übung und das Übungsobjekt loszulassen, sondern auch uns. Sonst betrachten wir Einheit, sonst betrachten wir Glückseligkeit, sonst betrachten wir das Göttliche, das ist schon viel.

Das Göttliche sein heißt
Nicht-Sein,
heißt frei sein.
Das braucht Mut.
Da liegt der Sinn.

Wem nur ein einmaliger Sitz sich vollendet, dem löst sich alles Karma, alles Leiden auf angehäuft in zahllosen Leben, jetzt ist Freiheit.

Ich bin das Licht,
ruhe in mir selbst und
sonst nichts.
Nichts.
Nichts.
Shunyata Vada

 

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