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Wie verbindet sich Zen und Yoga?

Teisho - Zen-Meister Hinnerk Polenski

Ich arbeite gerade an einem Buch, das heißt „Zen und Yoga“ oder „Zen und Yoga, die Kunst der Versenkung“. Der zentrale Punkt, um den es geht, ist der Begriff „Samadhi“. Samadhi ist ein alter Sanskrit-Begriff, der bedeutet „Versenkung“ – im Zen entspricht das dem edlen achtfachen Pfad des Buddhas, dessen letzte drei Elemente sind: Rechte Anstrengung, rechte Achtsamkeit und rechte Versenkung. Das sind sozusagen drei Aspekte der Meditation und sie bedeuten, dass der Weg schon am Anfang anstrengend sein kann - und zwar deshalb, weil wir unseren Körper mitnehmen.

Es gibt sehr viele Angebote in der Welt für Spiritualität und für Meditation. Der wesentliche Punkt ist, dass Zen den Körper mitnimmt, somit auch den Alltag und somit auch die Erde. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, denn die Essenz der Lehre des Buddha ist nicht Spiritualität, oder ist nicht, irgendeinen Zustand zu erreichen, sondern die Essenz der Lehre des Buddha ist Leidfreiheit, die Freiheit von Leiden. Der Buddha lehrt, dass die Essenz unserer Welt ist, das sie leidbehaftet ist, dadurch, dass es  Vergänglichkeit gibt. Aus Vergänglichkeit entsteht Alter, Sterben und Tod. Das sind die Herausforderungen, denen wir Menschen uns stellen.

 

Und Spiritualität in ihrer wahren Tiefe bedeutet im wahrsten Sinne, dass wir erkennen: Was ist Geist? Was ist die Essenz von Geist? Die Meister dieser Welt - die Meister des Ostens, ob sie jetzt Yogis, Patanjali, Zen-Meister, tibetischen Meister sind - sagen, dass, wenn wir Geist erkennen, erkennen wir auch, dass wir frei sind, und Freiheit ist ein anderes Wort für Erleuchtung. Erleuchtung ist nicht, das ich mich super fühle und alles ist Glückseligkeit, sondern Erleuchtung bedeutet zu erkennen, was die Essenz von Geist ist, und damit zu erkennen, was die Essenz von dem ist, was Leben ist in diesem Moment.

 

Wie kommen wir auf Zen und Yoga?

 

Man kann sagen, wenn wir diese unglaubliche Menge an Yoga betrachten, so wie es sich in Amerika und in Europa präsentiert, und einmal so hindurchgehen durch das, was man als Asana-Yoga bezeichnet, werden wir feststellen, dass hinter dem Asana-Yoga noch etwas anderes liegt, nämlich ein sehr altes, tiefes System.

 

Ich selber habe mit 17 Jahren - und das ist sicherlich die Quelle von Zen und Yoga - angefangen, den Yoga- und den Zen-Weg gleichzeitig zu gehen. Ich hatte einen Yoga-Lehrer und ich hatte einen Zen-Lehrer, und für mich war von vornherein Yoga nie nur Asana, sondern ich habe Yoga in erster Linie kennengelernt im Kontext des Darsana des Patanjali, des großen Patanjali-Sutra. Und das ist ein Weg, der zu Befreiung führt. Später habe ich mich für Zen entschieden, weil ich gemerkt habe, das die Essenz von Geist einerseits sein kann, sich in Geist aufzulösen, und in einer vollkommen Einheit mit Geist dann auch aus dieser Welt zu verschwinden, was das höchste Level von Nirvikalpa-Samadhi ist, unglaubliche Schönheit von Licht, in dem wir - also der Yogi oder der Meister -  sich dann auflöst, aber für die physische Welt dann auch nicht mehr da ist.

 

Zen ist ein Weg, der in die Welt hineingeht. Das ist sicher die Besonderheit des japanischen Zen-Weges, in die Welt zu gehen, in der Welt das Ewige zu bezeugen. Das ist die Besonderheit. Gleichzeitig ergab sich dann für mich diese Entscheidung, den Menschen zu dienen, den Weg für andere zu gehen. Das ist dann die Essenz des Buddhismus, das ist das Bodhisattwa-Ideal. Es blieb aber immer noch das Asana, d. h., ich habe für mich erkannt, dass, wenn ich Asanas übe, ich in der Meditation in eine leichtere Tiefe komme. Viele Menschen, die meditieren lernen, wollen ihren Körper nicht mitnehmen, sagen, das ist unbequem, ist anstrengend und schwierig.

 

Verständlicherweise, denn wir haben im Westen gelernt, auf dem Stuhl abzuhängen oder auf dem Sofa, Flasche Bier, Fernseher an. So, und auf einmal sollen wir in die Form? Das ist der gleiche Grund, warum Menschen keinen Sport machen. Sport ist gesund, Sport ist super für sie, ich muss nicht sagen, warum und wieso, aber der Grund ist, dass es erst mal eine Anstrengung beinhaltet und es sehr, sehr schwierig ist, in einen sportlichen Move zukommen. Bin ich in einem sportlichen Move - entweder ich bin Langstreckenläufer oder wie Klaus, der bei uns Core-Training macht - dann ist es auf einmal sehr, sehr leicht, und es macht Spaß, Sport zu machen. Es ist freudvoll, Krafttraining zu machen. All diese ganzen Dinge, die einen vom Sport abhalten, dann auf einmal die Dinge, die einen zum Sport bringen. Man macht Sport, es gibt einem Energie.

 

Am Anfang ist es für viele Menschen mit Asana genauso, dass sie es schwierig finden, anstrengend, aber wenn ich erkenne, dass das Asana ein Weg ist, dessen historisches Ziel einzig allein der Diamant- oder Lotussitz ist, nämlich die vollendete Form - die Sitzhaltung soll angenehm und fest sein, so steht es im Patanjali -, dann wird das Asana plötzlich zu einem tiefen Rahmen, der den Körper ebenfalls mitnimmt. Und das Zen gibt dann mit diesen mitgenommen Körper, in der rechten Haltung, eine Tiefe, wo dann Spiritualität ein Weg wird, der in die Welt hineingeht. Das ist ein sehr wichtiger Punkt.

 

Das ist auch der Grund, warum Zen nicht so beliebt ist, weil ist eben am Anfang anstrengend ist. Und für mich ist es heutzutage so, dass ich sage: Um für die Anstrengung der rechten Haltung in der Meditation einen Weg zu bilden, eine gute Mitte, sind Asanas meiner Meinung nach der bestmögliche Weg. Wir haben im Zen auch Körperübungen, die in die Meditation hineingehen und die Körperhaltung – aber aus meiner persönlichen Sicht sind die Asana-Abfolgen der bestmögliche Weg, in diese Dimension der Einheit von Körper und Geist zu kommen.

 

Später, wenn die Meditation tief ist, der Körper in einer festen Ruhe ist, folgen die drei Pfeiler des Zen. Das erste ist Zazen, die Meditation in der richtigen Haltung. Dann kommt der Do, das ist die in der Meditation gewonnene Erfahrung in eine Bewegung zu bringen, und diese Bewegung ist einfach und wiederholbar, zum Beispiel das Bogenschießen oder eine Kampfkunst-Kata, aber eventuell auch wieder eine bestimmte Abfolge von Asanas, in die ich die Erfahrung - zum Beispiel von Samadhi oder Hara - mitnehme. Der dritte Pfeiler des Zen ist der Alltag. Am Ende ist der Maßstab von Spiritualität die Welt, in der ich lebe: Kinder, Partnerschaft, mein Weg, Gesundheit, wie's mir geht, wie ich mich fühle, wie ich mich in meinem Körper in der Summe aller Teile fühle. Das ist sehr, sehr wichtig. Und deshalb arbeite ich daran, dass wir Zen und Yoga an dieser Stelle so verbinden können.

 

Zen hat einige Techniken, die die Meditation, wenn der Körper in der rechten Form ist, extrem beschleunigen, und in einer sehr, sehr schnellen Form in eine Tiefe bringen - beispielsweise die Hara-Meditation. Das ist eine Neuentwicklung des Zen seit dem zwölften Jahrhundert, die etwas damit zu tun hatte, dass das buddhistische indische Zen - damals hieß das Dhyana-Buddhismus - nach China kam, dort auf den Taoismus traf, und diese Techniken mit hineingeflossen sind.

 

Das ist so etwas wie die Essenz von Zen und Yoga.

 

Gleichzeitig ist es aber so, dass wir das Yoga nicht nur auf Asana reduzieren sollten. Deshalb ist der Schatz des Patanjali-Yoga letztlich immer für uns eine Leitlinie. Yoga bedeutet, wenn wir den Patanjali nehmen:

„atha yoga anusasanam, yogas citta vrtti nirodhah“.

Atha bedeutet: Seit endlosen Zeiten und endlosen Wiedergeburten wandele ich auf diesem Planeten in Leiden, ich wandele in unbefriedigter Form, unzufrieden. Atha bedeutet: Jetzt in diesem Moment, in dieser Sekunde, betrete ich den Weg des Yoga („atha yoga anusasanam“), das heißt, der Yoga-Weg öffnet sich für mich.

 

Das zweite Sutra des Patanjali bedeutet: Was ist Yoga?

„yogas citta vrtti nirodhah“).

Das bedeutet: Yoga ist das Anhalten von Gesehenem und dem Zwang zu wählen. Citta kommt von der Wurzel „cit“. Cit ist nicht die gleiche Sanskrit-Wurzel, wie wir sie auch kennen, wie chit, (Geist), sondern cit hier bedeutet sehen, und citta bedeutet in diesem Fall das Gesehene, und vrtti ist wählen, unter Zwang zu wählen, was bedeutet, dass wir die ganze Zeit, in dem Moment, wie wir jetzt hier sind, sogar auch in dem Moment, wo ihr mir zuhört, aus dem Gesehenen, aus der Vergangenheit, aus der Erinnerung, das, woraus unser Ich konstruiert ist, gezwungen sind, die Dinge so zu sehen, wie wir sie sehen müssen. Das heißt, der Mensch konstruiert diese Dinge um sich herum in dieser Form. Und nirodhah bedeutet in der Wurzel anhalten, das bedeutet das Anhalten von Gesehenem und Wählendem. Yoga ist das Anhalten von Gesehenem und Wählendem. „Atha yoga anusanam. Yogas citta vrtti nirodhah. Tada drastuh svarupe vasthanam“. Und „svarupe vasthanam“ ist dann die Form, in die der Mensch eine große Freiheit kommen kann, dass ist die Kurzform der Yoga-Lehre.

 

Ich liebe das. Also ich bin Yoga-Fan. Ich bin wirklich schlecht in Asana, das müsst ihr wissen. Ich habe eine schwere Sportverletzung und das sieht schlimm aus, wenn ich Asanas mache. Deshalb mache ich es auch nur privat. Aber ich liebe sie.

 

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