Wenn das Viele zu einem wird - Teil 2 für Fortgeschrittene
Teisho - Zen-Meister Hinnerk Polenski2016-01-30 Rohatsu
Der Bambus hat noch oben und nach unten gerichtete Ringe.
Die Pinie hat immer die gleiche Farbe.
Wenn wir den Weg von Materie zu Geist gehen, dann ist es für uns wie ein Besteigen eines gigantischen Berges, dessen Spitze in den Himmel ragt, von Wolken, mystischen Nebeln verdeckt. Und die Spitze im gleißenden Licht im endlos blauen Himmel. Um so weiter wir diesen Weg gehen, umso weiter ist das Tal, der Boden, Dörfer und Menschen entfernt. Umso näher ist das unendliche weite Blau. Offene Weite. Auf diesem Weg ist es so, dass wir uns darüber Gedanken machen, was die Welt ist und dass das was wir erfahren, wieder in die Welt hineingeht mit ihren kleinen lustigen Sachen. Aber genau der Punkt ist der, das selbst auf der Bergspitze vollkommener Weisheit wir dieses immer noch spüren, und das es zwingend so ist, das dies nicht die Summe von Allem ist. Und das die ganze Welt fehlt.
Wenn ich aber in tiefster Weisheit den Weg von Geist zu Materie gehe, und dieses nicht aus der Dimension des Geistes im Geiste auf den Geist ausgerichtet, von dort aus die Schritte in die Welt hinein tue und zu integrieren versuche, sondern ich die Schöpfung selber bin, von Geist zu Materie, dann hat dieser Aspekt des Weges keine Dualität mehr, zwischen Geist - Himmel auf der einen Seite, und Erde - Schöpfung auf der anderen. Denn alles ist auf einmal heilig und zugleich nur offene Weite. Dies ist ein großes wichtiges Geheimnis. Das ist verloren gegangen. Die Bemühung von Spiritualität und Integration in den Alltag, auch Dürckheims Herausforderung zwischen zwei Welten. Das Ewige Hier und Jetzt in dieser Welt zu bezeugen, ist großartig, ist meisterlich. Aber es ist nur die Hälfte des Weges. Der Weg von Geist zu Materie, die Schöpfung selber, braucht diese Trennung nicht. Es gibt sie nicht, weil alles dieses Heilige ist, die Schöpfung selbst. Wir sind immer mittendrin. Wir sind da nie draußen. Nichts ist je draußen gewesen.
Es ist richtig im ZaZen zu sitzen und mit der Materie zusammen, mit der Erde, mit dem Körper zusammen in der rechten Form, in rechter Anstrengung, in rechte Stille zu gehen. Mit allen Mitteln. Das ist gut. Das ist der Weg. Es ist ein Weg in dem wir zurecht unsere Bestimmung suchen. Denn wir wissen instinktiv, wir wissen mehr als instinktiv vom Herzen und von der Sehnsucht her, das unser Leben nicht einzig darin besteht, komfortabel, anerkannt, im Rahmen von Riten und Regeln und gesellschaftlichen Normen hervorragend zu stoffwechseln, um dann brav alt zu werden und dann zu verscheiden, ja?! Das ist schade.
Jeder Mensch auf dieser Erde hat in sich diesen gleichen göttlichen Keim. Und jeder Mensch auf der Erde hat das Recht inne zu halten und dazu brauchen wir keine Bedienungsanleitungen von außen, die uns beschreiben wo der Weg hingeht, und in dieser Beschreibung wo der Weg hingeht uns gleichzeitig schon erzählen, dass wir auch schon da sind, wenn man diese Beschreibung abboniert. Der Weg von Materie zu Geist ist zutiefst der Beginn. Die Erleuchtung, tiefe Einsicht, ist aber dennoch der Anfang. Deshalb ist es sehr wichtig, das wir Zeit haben, den vollendeten Weg zu gehen. Umso jünger wir sind und den Weg beginnen. Aber am Wichtigsten ist, umso mehr Zeit wir haben, von dem Moment des Durchdringens der Wolke, des mystischen Feldes des Nebels, zur Eisspitze in gleisendem Licht, umso größer und umso mehr verstehen wir die Erfüllung. Die Spitze ist nicht das Ende. Sonst gebe es keine Schöpfung, sondern nur Geist. Immer. Und das war auch sowieso so. Aber warum ist die Erde und die Gräser und die Pflanzen und die Tiere, die Wälder und der Wind, und wir. Die Schöpfung ist nicht ein Zufall in dem zufällig irgendeiner den Blick ins Göttliche hebt. Die Schöpfung ist das Göttliche selbst und in ihr liegt ebenfalls ein Geheimnis und das füllt alles aus. Dann kommen wir an. Dann ist Bestimmung. Ich sage das deshalb, weil das ZaZen, Sitzen in Kraft und Stille, ist der Ausgangspunkt. Quantität bestimmt zum Einen den Aspekt. Quantität in der Menge und Länge des Sitzens ist nicht zu unterschätzen. Und auf dieser Basis, bestimmt die Intensität, der Wille, die Intention, die Beschleunigung.
„Aufgrund einer niedrigen, mittleren oder höchsten Intensität, entstehen unterschiedliche Ergebnisse.“
So bewegen wir uns alle auf einer Reise ins Licht. Aber das reicht nicht aus. Das heißt in dem Moment, wie die Runde zu Ende ist, des ZaZen, und wir Gassho Teto oder Aufstehen, oder Rausgehen oder Kaffee trinken, ein Handy bimmelt oder klingelt, beginnt die eigentliche Herausforderung. Und das Nicht-Perfekt-Sein des Menschen, das Unvollkommene, Leidhafte, Verstrickte, in Kombination mit der Sehnsucht, ist die Quelle vollkommener Befreiung. Die Wesen die scheinen, dass sie perfekt sind und denken, nehmen wir mal freundlicherweise nur den einen oder anderen Menschen, der das denkt, hat keinerlei Grund irgendwoanders hinzugehen, als da wo er ist. Selbstgefällig in sich selbst gefangen. In der Illusion. Deshalb ist die Übung in sich streng, und in dem Moment wie ihr aufsteht, kommt ihr sofort in die Unvollkommenheit der Dinge. Die Schritte sind nie perfekt. Wir machen es nie perfekt. Gottseidank! In dem Nicht-Perfekten ist der Schlüssel, der euch in der Schöpfung den Raum gibt, eure Bestimmung zu finden. Da ist die Lücke. Alles ist erleuchtet.
Die Pinie hat immer die gleiche Farbe. Absolut.
Bambus ist mal so mal so. Das Viele.
Solange das getrennt bleibt, kann wahre Freiheit nicht verwirklicht werden. Deshalb ist ein Sesshin vierundzwanzig Stunden am Tag Übung. Umso intensiver ihr im ZaZen sitzt, umso mehr spiegelt sich das Absolute in Allem wieder. Unabhängig von schön und häßlich, gut oder schlecht, perfekt oder nicht perfekt, genügen oder nicht genügen. Spielt überhaupt keine Rolle. Gar nicht.
Erinnert euch an diese kleinen Worte, die ich hier sage, wenn ihr nachher aufsteht, rausgeht und es regnet draußen. Jeder Tropfen ist Licht.
Wenn das Viele zu Einem wird. Wohin geht das Eine?
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