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Rechte Anstrengung - Rechte Versenkung

Teisho - Zen-Meister Hinnerk Polenski
Daishin Zen Rohatsu Sesshin Januar 2017

 

Nichi nichi kore kojitsu

Das Ideal des Zen-Meisters Ummon ist das Koan: „Jeder Tag ist ein guter Tag.“ Dieser Satz bezeugt eine unendliche Freiheit und Unabhängigkeit von allen Dingen. Zen-Meister Ummon fragte eine Gemeinschaft von Freunden und Schülern: „Sagt mir, was war die letzten 30 Tage?“ Und dann: „Was wird die nächsten drei Tage sein?“ Bevor überhaupt jemand antworten konnte sagte eher: „Jeder Tag ein guter Tag.“

In diesem Satz steckt ein tiefes Verständnis von Unabhängigkeit, das spüren alle Menschen, die einen spirituellen Weg gehen. Dennoch ist in diesem Satz für viele Menschen, die einen spirituellen Weg beginnen, ein großes Missverständnis drinnen. Wir haben das große Glück, dass in unserem Land Spiritualität in den verschiedensten Formen - sei es Yoga oder Theravada oder Zen - sich wunderbar ausbreitet bei immer mehr Menschen. Dennoch muss man auf ein Missverständnis hinweisen. Die postmodern-spirituelle Doktrin ist: Loslassen. Grundsätzlich gibt es keine Loslassen-Doktrin, sondern es gibt nur angemessenes Handeln und auch angemessene Haltung in der Übung. Es gibt zwei Pole und eine Verbindung zwischen beiden. Der eine Pol ist die rechte Anstrengung, der andere Pol ist die rechte Versenkung. Anstrengung hat mit Fokus zu tun oder mit Ausdauer. Beschwerlichkeit, wo der Körper rebelliert und man sagt: Was soll denn diese Form? - und ein Weitergehen. Auch wenn viele Teile unseres Egos rebellieren, ja gerade dann. Rechte Versenkung hat mit Loslassen zu tun. Sich fallen lassen, sich loslassen, in allen anspannenden, sich verstrickenden emotional-kognitiven Aspekten. Loslassen, fallen lassen. Man kann auch nicht sagen, am Anfang dies und am Ende das. So gibt es das „ein-Atem-Zen“ - nicht von Einatmen sondern ein Atemzug, ein Ausatem-Zug - Zazen von Dogen Zenji - wo ich mich hinsetze in die rechte Form und „ein-Ausatem“. Wunderbar.

Ein-Ausatem, tiefes Samadhi, oder zumindest das Tor dazu.

Doch bei den meisten ist es eher so: Wenn ich in einem Tal sitze, wo die Sonne nicht hinkommt, dann ist die Aufgabe nicht loszulassen, sondern meinen Arsch in Bewegung zu setzen, mich zu fokussieren und den Berg der großen Befreiung zu besteigen. Und wenn ich dann auf diesem Gipfel bin, nach hartem Schreiten und Form, die man braucht an einer Steilwand, Haken, Seil, Pickel, dann kann ich nicht sagen, ich brauche keine Form, ich schmeiß hier alles weg, ich ziehe die Schuhe aus, ich gehe barfuß durch den Schnee weiter. Sondern man hat eine Form, die mir die Freiheit gibt, den Berg zu besteigen. Ohne diese Form bin ich in der Unfreiheit, diesen Berg nicht besteigen zu können.

Unsere Form ist das Zazen, die äußere Form und die innere Form der Übung. Dies gibt uns die Freiheit, den inneren Berg zu besteigen, und es kann sein, dass dieser Berg am Anfang außergewöhnliche Anstrengungen zeitigt, dieser Weg. Es kann aber auch sein, dass wir uns hinsetzen und die Augen schließen und wie Dogens ein-Ausatem-Zazen in tiefe Versenkung fallen. Häufig jedenfalls gibt es an Bergen steile Stellen, die kosten Kraft. So ist auf dem spirituellen Weg dieser Zweiklang zwischen Anstrengung, rechter Anstrengung, und rechter Versenkung, rechtem Loslassen immer der Tenor. Und es gibt keine Regeln von außen, sondern das in meiner Übung Angemessene. Die Steilwand im Zazen ist unser Ego, das irgendetwas will oder sich vorstellt oder nicht will. Die Kunst eines Zen-Schülers besteht darin, einen Hauch von Unabhängigkeit von diesem Ego zu erreichen, erst einmal in der Übung.

Ich selber sitze seit sehr langer Zeit, ich glaube im nächsten Jahr 40 Jahre Zazen, das sind schon ein paar Tage. Und natürlich geht es mir immer wieder so. Und nicht in den ersten zehn Jahren und auch jetzt ist es nicht anders, sondern es geht mir immer wieder so: Heute gehe ich lieber Kaffee trinken anstatt morgens gleich nach dem Aufstehen Zazen zu üben. Das ist normal, das ist auch nicht so schlimm, wenn man es dann mal macht, mal als Ausnahme. Und ich hatte mal eine Zeit, da saß ich wunderbar im Zazen und irgendwann sagte mein Körper, das ist jetzt ein bisschen anstrengend und unbequem, und mein Ego - also der Teil des Geistes, der kleine Teil des Geistes, der sich Hinnerk nennt, sagte: „Ach dann stehen wir mal auf.“ Und so sagte ich, finde ich gut, steht ihr auf. Ihr könnt gerne alle aufstehen, ich bleibe sitzen. Das war immer sehr lustig. Mein Körper ist dann auch sitzen geblieben. Also Körpertrennungs-Geschichten, Körper-Verlassen ist nicht so sinnvoll, außer man will seinen Lehrer in Japan besuchen und Flugkosten sparen, das ist was Anderes. Aber ansonsten Körper, Geist. Energie immer zusammenhalten, wichtig. Dieser Aspekt der Anstrengung muss mit Wertschätzung, mit Selbstwertschätzung geschehen. Wir gehen jetzt alle den Berg hoch, alle diese verrückten Teile unseres Ichs und dann der Körper und das ganze Energiesystem, wir alle gehen da jetzt hoch. „Nöö - ich will das nicht.“ „Ich will jetzt hier auf dem Sofa sitzen.“ „Ach so, du bleibst sitzen, wir gehen da jetzt alle hoch.“

„Nur die Harten kommen in den Garten,“ sagt man bei uns da oben im Norden, das ist Quatsch. Um Härte geht es nicht. Es ist eine weiche Form; wenn ich es hart angehe, dann verfehle ich in der Anspannung etwas Wichtiges. Und wisst ihr, was das Wichtigste ist in der Anstrengung, was man verfehlen kann? Jetzt dürfen wir es sagen: Loslassen.

Jetzt darf man das. Loslassen. Wunderbar, ich bin hier.

Jeder Tag ein guter Tag.

Nicht jeder Tag ist ein guter Tag, weil dieses so und dieses so ist. Es gibt traurige Tage, es gibt schmerzvolle Tage, anstrengende Tage und richtig, richtig beschissene Tage. Dennoch: jeder Tag ist ein guter Tag, wenn ich vollkommen in mir, mit mir bin. Und dieses mehr ist, als mir, meine, ich, und alles ist.

Rechte Anstrengung und die rechte Achtsamkeit achtet darauf, dass die Anstrengung gehalten wird, und die rechte Achtsamkeit achtet darauf, im richtigen Moment loszulassen - und zu sein, um in rechte Versenkung zu kommen, Samadhi.

Sich selbst besiegen beginnt mit rechter Anstrengung, geht weiter mit rechter Achtsamkeit, das ist klar, wach, weit, offen und vollendet sich in rechter Versenkung. Und manchmal sind die Reihenfolgen auch vollkommen anders.

 

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