Offene Gesellschaft - Angst ist keineAntwort - Antwort auf Fragen
Fragerunde - Zen-Meister Hinnerk PolenskiZen Frühjahrssesshin 2016
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Wir leben in einer offenen Gesellschaft, und das Besondere an dieser offenen Gesellschaft ist offene Spiritualität. Sonst könnten wir hier nicht sitzen. Und das ist eine große Chance, und dafür ist die Menschheit einen langen Weg gegangen. Der fing schon 1453 an – da wurde Konstantinopel durch den Islam zerstört und das löste die Renaissance aus, und die Idee, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, den Humanismus, darüber zur Aufklärung, Französische Revolution, Bismarck, SPD, Bebel … Bis hierher ist es ein sehr langer langer Weg.
Ich werde häufig gefragt nach meiner politischen Meinung. Ich persönlich versuche, soweit es geht, in erster Linie für etwas zu sein und an dieser Stelle die Menschen zu stärken, die diese offene Gesellschaft schätzen. So gesehen bin ich sicherlich auch befangen und meine Befangenheit ist die, dass ich diese offene Gesellschaft schätze, denn ohne sie könnte ich nicht das tun, was ich hier tue, und ohne die gäbe es nicht Buddhismus, und Yoga, und alles durcheinander und was es gibt an eigener Entwicklung…
Vorgestern hat mich Schwester Elisabeth besucht. Schwester Elisabeth ist die Cellerarin des Benediktienerinnenklosters Chiemsee, und dann kam der Herr Pastor noch vorbei und das war wunderschön und wir haben zusammen Tee getrunken. Das zeigt, was für eine großartige Zeit wir haben, und es gibt gewiss Religionen, mit denen würde ich keinen Tee trinken. Das heißt, für mich ist es wichtig, die Menschen zu stützen, die diese offene Gesellschaft schätzen, und da ist es mir Wurst, wo jemand herkommt. Das heißt die offene Gesellschaft und offene Spiritualität, das ist meine innere Verpflichtung, die ich sehe und darin bin ich vielleicht auch Europäer und nicht nur Zen Meister in Asien; sondern meine Aufgabe, die des ganzen Daishin Zen, ist es sozusagen, diese Gesellschaft, die Menschen hier zu schützen und zu stützen und zu entwickeln und ihnen zu helfen; aber nicht, indem ich ihnen zusätzlich noch eine Fahne in die Hand drücke einer politischen Ausrichtung.
Ich habe eine eigene politische Meinung, und es gibt gewisse Grenzen, wo ich auch diese Meinung äußere, aber ich sehe einen Glauben an den Menschen und ich glaube, dass, wenn Menschen stark sind, dann ist das Resultat eine offene Gesellschaft. Ja, wenn einzelne Menschen stark sind, mutig sind, dann ist das ein Punkt, und wenn man mich fragen würde, politisch gesehen, was ich im Moment für die Hauptaufgabe halte, oder man würde versuchen, mich zu nötigen, irgendwo Statement zu aktuellen Geschichte zu geben, dann würde ich immer versuchen so zu antworten, wie in dem Vortrag, den ich gestern in der Zendo bewusst so gehalten habe: Angst ist keine Antwort heißt der Vortrag; und da versuche ich reinzugehen, denn wenn wir keine Angst haben und mutig sind, dann glaube ich, dass wir die richtigen Entscheidungen treffen.
Das heißt, da muss nicht jemand kommen, wie ich schon sage, das und das ist schlecht, das ist das und das geht gar nicht, sondern das ist mein Versuch, den Menschen zu dienen. Wie gesagt: Ich bin auch ein Mensch und ich hab eben eine Meinung auch zu bestimmten Dingen, aber ich weiß auch um die Relativität dieser Dinge. Aber eines halte ich für sehr wichtig und das hat für mich einen absoluten Aspekt: Die Menschen zu stärken, kraftvoll, mutig, offen zu sein, ihr Herz zu öffnen, aber auch in der Lage zu sein, Grenzen zu setzen, im Kleinen wie im Großen, und somit einen gemeinsamen Weg zu gehen. Und wir haben hier einen alten Weg, denn die Polis, die alten Griechen, da ist ja die Wiege der Demokratie, und Voltaire mit seinen ersten Schritten in Richtung Menschlichkeit, Brüderlichkeit, Gleichheit und so weiter, all diese ganzen Aspekte sind eine große Geschichte und es ist sehr wichtig, dass wir das, diesen Weg weiter fortsetzen. Also das wir weiter in die Helligkeit gehen.
(….)
Frage: Wie, mit was für Mitteln kann ich meine Angst überwinden?
Hinnerk: Ich selber überlege, ob ich schon weit genug bin als Zen Meister, einem großen Menschen zu widersprechen. Das sage ich jetzt so provozierend, ich widerspreche ihm überhaupt nicht, aber der Buddha hat die Gier als die Grundquelle, tanha, Lebensdurst, Gier, als die Hauptquelle aller Verstrickungen gesehen. Für mich fällt es heute sehr schwer, das so zu sehen - in einer Zeit, wo ich glaube, dass Angst der Kernpunkt ist. Wir werden geboren mit – wie Buddha es nennt – anicca, dukkha, anatta (Unbeständigkeit, Leiden, kein Selbst) - und jeder Mensch ist sich seiner Fragilität letztlich bewusst.
Dies ist eine riesige Welt und wir glauben, dass wir da irgendwas unter Kontrolle haben und das basteln wir irgendwie uns so zusammen und das ist ein Gebastel. Es ist ein einziges Mal auf der Autobahn irgendwie nicht achtsam sein. Du überholst, der Andere sieht es nicht, mit 170, und du wachst im Krankenhaus auf und das Leben ist ein anderes, oder sei es, du bist lebendig und hast jemand umgebracht im Auto, -oder du selber bist... Das geht schneller als ihr denkt; man ist verheiratet seit 20 Jahren, in drei Jahren habe ich Rente. Ich freue mich. Anderthalb Jahre vorher trennt sich die Frau. Leben ist vergänglich.
Anicca, dukkha, anatta. Das ist so, und deshalb sage ich, das wir Menschen auch ein Recht dazu haben, Angst zu haben. Ich kann das verstehen. Das ist sehr wichtig, und wir haben in den letzten tausenden von Jahren eine riesen Show gemacht, und das ist jetzt zu eng, dieser Planet für diese Show, aber Angst ist keine Antwort. Bevor ich überhaupt dahin komme, mutig zu handeln, muss ich überhaupt wissen: Was soll ich tun? Wenn ich keine Orientierung habe, dann nützt auch dieser Mut nicht, dann kann es auch schlauer sein, die kleine Maus zu sein.
Wenn ich ein einzelner Krieger bin und da kommen 250, dann kann ich zwar 300 spielen, aber dann bin ich immer weg vom Fenster, ja? Oder ich bin irgendwo in den Büschen und überleb das Ganze und meine Familie freut sich, wenn ich zurückkomme. Also, der Kernpunkt ist, erstmal zu erkennen, das wir determiniert sind durch Emotionen, die sehr sehr mächtig sind, und sehr sehr existenziell, und was ich den Menschen hier vorwerfe, also den Personen, die heute die Spiele in diesem Land spielen, das sie die Angst der Menschen nicht ernst nehmen. Wer auch immer, ob das im Kleinen oder im Großen ist. Wir müssen die Ängste von Menschen ernst nehmen. Das ist sehr wichtig. Wir müssen Antworten dafür finden, ob das jetzt eine politische ist, das ist schon sehr schwierig, aber es ist sehr wichtig, das jeder weiß, dass es einen Weg gibt, letztlich mit dieser Angst umzugehen, oder mit diesem existenziellen Betroffensein,...
Der Mensch ist in seinem ganzen Leben grundsätzlich existenziell betroffen, und er tut alles mögliche, um aus der Nummer rauszukommen. Die Menschen diskutieren über Drogen und dies und das. Aber was ist die Droge Nummer eins? Die Leute hauen sich Alkohol rein das es nur noch knallt, oder? Aber ich kann das verstehen, warum Menschen das machen. Ich verurteile nicht jemanden, der sich jeden Abend eine Flasche Wein reinhaut. Ich kann’s verstehen. Nur es ist kein Weg! Und der Weg? Ich glaube, es gibt unglaublich viele Antworten auf dieser Ebene kollektiver Angst und so weiter und so fort, und sicher ist die Zeit vielleicht so, dass sie dazu zwingt, Antworten zu finden, aber die wirkliche Antwort findet nur jeder für sich erstmal alleine. Und deshalb was du sagst ist absolut genau richtig, du hast die Antwort schon genau gegeben: Wie gehe ich damit um? Das ist das Entscheidende. Ich muss erst mal lernen, damit umzugehen. Aber wenn ich selber damit erkenne, wer ich wirklich bin, wenn ihr erkennt, wer ihr Menschen seid, das auch anicca, dukkha, anatta nur für einen bestimmten Aspekt unseres Seins zutrifft, das was wir im ersten Moment als Mensch und Erscheinung als Mensch annehmen, aber das ist vergänglich.
Aber gibt es was, was nicht vergänglich ist? Gibt es etwas, was... gibt es Ewigkeit? Gibt es etwas Unbedingtes? Und irgendwelche Onkels, die irgendwelche Scheiße dazu labern aus irgendwelchen Büchern? Das hilft nichts, das sind Glaubenssätze. Dann ist man in der Illusion. Dann kann man auch wieder Alkohol trinken, das ist ähnlich. Aber wenn ihr aus tiefem Herzen erkennt, wer wir sind, wenn wir Menschen erkennen, wer wir sind, wenn die Furcht sich auflöst, oder zu mindestens... Wir versuchen immer grundsätzlich angemessen zu handeln, vollkommen furchtlos. Vollkommen frei von Emotionen zu sein? Das ist den Göttern vorbehalten. Das ist zu tief, weil eine Emotion ist immer ein körperlicher Impuls.
Man muss wissen, dass Emotionen nicht geistiger Art sind, sondern sie sind eine körperliche Dimension. Die kommen immer über die Körperebene. Emotionen sind Hormoncocktails, die in Millisekunden in den Körper abgefeuert werden, und deshalb sind sie so totalitär, übermannen uns, oder überfrauen uns, und dann stehen wir erstmal in der Nummer drinnen. Am deutlichsten wir das bei Aggression, das geht in Sekunden auf die andere, paammm... Und wir müssen erkennen, dass Emotionen ein Teil unseres menschlichen Seins sind, und dann müssen wir gucken, dass das, was uns am Unheilsamsten berührt, was uns am allermeisten in die Zwanghaftigkeit hinein bringt, dass wir das heilen. Dass wir die Wahrheit erkennen, in die Heilung gehen, und Stück für Stück eine Antwort darauf finden.
Und die Antwort auf Angst ist die Frage: Wer bin ich? Und wenn ich erkenne, wer ich bin, wenn ich erkenne, was Leben ist, dann mildert sich das ab, mehr und mehr. Es ist auch kein Quantensprung, wie einer röhrt... ich bin... keine Angst mehr... no fear... alles Scheißegal... Ich habe keine Gefühle mehr... Alles gut... keine Gier... Da gibt es Onkels und Tanten, die erzählen so etwas. Die nennen sich dann Heilige, aber guckt ganz genau hin, sondern... Und das ist auch Wurst ob es die gibt oder nicht. Entscheidend ist, was mit mir, mit meinen Weg, mit meinem Leben,...
Und es ist schon mal unglaublich gut zu sagen, dass Emotionen, die uns determinieren, besonders in unheilsamer Art und Weise, dass wir versuchen, diese zu heilen, zu transformieren. Und da dürft ihr gerne ab und an auch gierig sein, ein gutes Bier zu trinken oder irgendetwas anderes zu machen. Das ist auch menschlich. Aber Angst ist keine Antwort, denn Angst ist ein Ausnahmezustand. Gier ist, solange wir Nasenlöcher haben, ja? alles was Nasenlöcher hat ist gierig zu atmen. Und solange es atmet wird es gierig sein zu atmen. Wenn ihr eure Nase zuhaltet, werdet ihr merken, wie stark Gier ist, ja? So einfach ist es, halt die Nase zu, dem Mund zu und guck dir das an. Wer gewinnt? Wie stark ist das? Wie stark? Aber Angst ist ein Zustand, und auch Hass ist ein Ausnahmezustand, und wenn der in unser Leben kriecht als Dauerzustand, dann wissen wir, wir müssen etwas tun.
Und dann bietet sich der Weg des Heilsamen an, so wie es im Buddhismus oder im Zen oder was auch immer für ein Weg... Die alten Weisen den Ostens haben dazu Antworten gegeben, und diese Antworten kommen jetzt nach Europa. Und um solche großen Themen zu lösen, wie wir sie jetzt haben, und das was du eben angesprochen hast, das ist ein Teil, ein kleiner von vielen großen Themen, und die großen Themen, die sind noch nicht da. Die kommen noch. Deshalb ist es sehr wichtig, das wir im Einzelnen unser Herz rein haben und wir unsere Antworten treffen, und dieses "Wir" ist nie alleine. Das ist die Magie an der Geschichte.
Ihr seid nämlich nicht alleine. Wir sind alle nicht alleine.
Vorträge von Zen-Meister Hinnerk Polenski
(In grün: sichtbar für Mitglieder des Daishin Zen Förderkreis e.V.)Hara - Was ist Lebensenergie? (Einführung)
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Ist Pippi Langstrumpf eine Zen-Meisterin? - Zen und innere Freiheit
Die dreifache Mitte des Menschen
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Ãœber die Ãœbung - Nachhaltigkeit im Alltag
Zur Ãœbung - Von der rechten Haltung zur Stille
Meditieren lernen: Der edle achtfache Pfad
Meditieren lernen - Versenkung im Licht
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Grundlagen des Rinzai Zen IV - Das Hannya Shingyo
Grundlagen des Rinzai Zen III - Koan
Grundlagen des Rinzai Zen II - Vom absoluten zum positiven Samadhi
Grundlagen des Rinzai Zen I - Absolutes Samadhi
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