Mit der Natur im Reinen
Gartengestaltung unter den Aspekten von Zen und Feng Shui*
Von Zen-Schülerin Britta Abel
In der Natur gibt es wie überall im Leben Kontraste und Gegensätze, die sich ergänzen und dann gemeinsam harmonisch und kraftvoll wirken. So ist auch der Garten ein Ort der Kraft und Stille, wenn er sich gliedert in einen aktiveren und einen ruhigeren Bereich. So sind dann die Polarität von Yin (das Weibliche, Sanfte, Passive) und Yang (das Männliche, Kraftvolle, Aktive) in ein ausgewogenes Verhältnis gesetzt: Die Natur ist mit sich im Reinen – und der Mensch, der in dieser Natur ist, auch. Spannung erzeugt man z.B. mit Hügeln, Steinen, Felsen (Yang), Harmonie zaubern entsteht durch sich biegende Pflanzen wie Bambus und bewegtes Wasser (Yin) wie z.B. ein Bachlauf.
Die Entwicklung der Gartenkultur in Japan gleicht der in anderen Kulturen. Der moderne Zen-Garten hat meist mehrere Funktionen: Er dient als Ort zum Spazierengehen, der Meditation und Kontemplation sowie als Ort der Freude für den Betrachter. Der Garten sollte Herz und Seele des Gestalters spüren lassen und ein lebendiger Ort hoher Energie sein.
Japanische Gärten sind ohne einen ungewöhnlichen Stein unvorstellbar. Eine Steinformation als Symbol für den Shumi-sen, nach hinduistischer-buddhistischer Vorstellung die Achse der Welt, ist häufig vorzufinden. Die Weltenachse ist genauso in islamischen wie auch in barocken Gärten zu finden. Die Axis Mundi (Weltenachse) verbindet das Geistige und das Materielle. Dieses Zusammentreffen von Geist und Materie gilt im Zen Garten als das Ergebnis eines Erkenntnisprozesses im Menschen selbst.
„Schöpfe Wasser, und der Mond ist in Deinen Händen“
Wie eine Zendo bewusst betreten wird, so sollte auch der Garten bewusst begangen werden - z.B. wird alte Energien des Tages „abgetreten“, um dann durch ein Tor oder Bogen in den Garten hineinzuschreiten. Dieser Bogen darf auch dazu veranlassen, sich ein wenig bücken zu müssen, was einer Verbeugung ähnelt und Respekt für den Ort erweist. Nach dem Gartentor halten wir vielleicht inne: auf einem gestalteten Platz oder an einem chozubachi (Becken für die Hände, auch Regenwasser-auffangbecken), in dem wir unsere Hände rituell waschen. Dieser Brauch geht auf die Pilger zurück, die sich an Tempeln vor kultischen Zeremonien waschen und reinigen konnten.Der aktivere Bereich des Gartens liegt im vorderen Teil. Die Gestaltung des Gartenweges bestimmt das Tempo, die der Weg durch den Garten ermöglicht. Das bewusste Setzen von Pflasterung und Trittsteinen ermöglicht die Aufmerksamkeit auf das Gehen zu lenken, das Gehirn anzuregen oder zu einem besonderen Platz hinzuführen.
Ein Mönch fragte Meister Kakumyo (1271-1361):
„Was ist das Wesen von Zen?“
Meister Kakumyo antwortete:
„Schau, wohin Du trittst“.
Wir betreten eine Brücke, die uns in den stilleren Bereich des Gartens führt. Engere Bepflanzungen direkt am Weg lassen uns den Blick nach unten wenden, eine Innenschau halten, bis sich die Weite im ruhigeren Teil des Gartens eröffnet.
In Japan ist es üblich, das echte Wasser der Wassergärten in Form von Steinen oder Sand darzustellen. Der Yin-Aspekt der Leere und Stille, ein Ort an dem wir zur Ruhe kommen können, kann durch eine Mulde dargestellt werden, die tatsächlich Wasser enthält oder mit Sand (trockenes Wasser) gefüllt ist. Ein Ort an dem ein Platz zur Meditation geschaffen werden kann. Bereichert man diesen mit einem Yang-Aspekt (Fels), kann er zur Inspiration dienen. Der Geist wird trainiert, indem wir die Vorstellungskraft des Betrachters anregen z.B. durch einen Stein, der einen Mönch in tiefer Versenkung darstellen kann.
Nach dem Verlassen des ruhigeren Bereiches werden wir durch Bambusgehölz, welches langes Leben und Beweglichkeit symbolisiert, zu einem Sitzplatz der Familie geführt, der der Kommunikation dient.
„Auf eine Mahlzeit kann man verzichten,
aber ein Haus muss Bambus haben.
Ohne essen und trinken werden wir dünn,
aber ohne Bambus verlieren wir die heitere Gelassenheit.“
Pou Sou Tung (Dichter, Song-Dynastie)
Bereiche des Gartens (oder auch Lebensbereiche auf dem Grundstück), die besondere Beachtung finden sollen, könnten z.B. mit dem japanischen Element der Gartenlaterne „erhellt“ werden. Die Laterne, die ursprünglich am Eingang von Tempeln vorzufinden war, ist heute ein graphisches Element, das die Präsenz des Menschen zeigt. Die Laterne kann uns den Weg weisen.
Die Naturverbundenheit der Japaner zeigt sich im Garten jedoch durch verwendete Pflanzen, die in der Natur eher rar sind. Man wählt Pflanzen und ihren Beschnitt, um mit bescheidenen Mitteln eine größtmögliche Wirkung zu erzielen. Klassische Bäume des Zen sind: Kirschbäume (Blütezeit April bis Mai, eher im Hintergrund des Gartens), Ahorn (die Farbenbracht Ende November kündigt den Wechsel der Jahreszeit an) und Kiefer (verkörpert alleinstehend einen ganzen Wald oder beschnitten die japanische Symbolik des Kranichs oder der Schildkröte).
Energie folgt der Absicht
Mit einem guten Gespür können Plätze des Kräfte sammelns oder auch Plätze der Entspannung gefunden werden. Die Wahl der Pflanzen unterstützt die Wirkung der Plätze. So sind verschiedene Pflanzen verschiedenen Energie-Qualitäten zugeordnet (westliche Geomantie): Meditationsplätze sollten an Pflanzen eingerichtet werden, die Schutz, Geborgenheit, Vitalität und Realitätssinn vermitteln: Kastanie, Buche, Linde. Für den kommunikativen Platz der Familie wählt man Pflanzen mit filigranem Habitus z.B. Gräser, Pflanzen weißer bis rosa Blütenfarbe.Nach meinem Empfinden darf der Garten ebenso üppige Blumenpracht vorweisen, den aktiveren Teil des Gartens bereichern, und bildet so die Brücke zum modernen Lebensraum Garten. Um einen energiereichen Garten zu gestalten gibt es noch diverse Möglichkeiten im Feng Shui oder der westlichen Geomantie, die jedoch ein eigenes Kapitel sind.
Die Energie folgt der Absicht: Ist eine Vision für einen Garten geschaffen, so wird die Umsetzung erfolgen. So ist es wichtig, sich immer wieder der Grundidee zur Gestaltung bewusst zu werden und die Arbeit im Garten wachsen zu lassen.
* dies ist eine Ausarbeitung im Rahmen der Ausbildung von Zendo-Leitern im Daishin Zen.
Buch-Empfehlungen der Autorin und Quellmaterial:
Günter Nitschke: Japanische Gärten – Taschen Verlag
Erik Borja: Japanische Gärten. Gärten gestalten mit Zen - Kaleidoskop Buch
Dr. Jes. T.Y. Lim: Feng Shui - Gartendesign - Grundlagen, Anwendungen, Praxisbeispiele
28.05.2013
Mit der Natur im Reinen