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02.02.2013

Wir glauben an die Freiheit jedes Menschen

von Zen-Meister Hinnerk Syobu Polenski

Der Buddhismus, Zen, Daishin Zen glaubt an die Freiheit und Befreiung des Menschen, jedes einzelnen. Jeder Mensch hat mit Beginn seines Lebens ein außergewöhnliches, großes Geschenk mitbekommen. Und der Sinn unseres Lebens besteht darin, dieses Geschenk zu öffnen - unabhängig davon, wo wir herkommen und unabhängig davon, in was wir verstrickt sind.

Schon Sokrates hatte dafür ein Bild, ein „Höhlengleichnis“, eines der bekanntesten Gleichnisse der antiken Philosophie – erzählt von Platon, der einen Dialog mit seinem Lehrer Sokrates wiedergibt. Darin leben Menschen in einer Höhle und erkennen die Dinge nur dadurch, dass hinter einer Wand, vor einem Feuer, die Dinge vorbeigetragen werden und die Menschen nur die Schatten dieser Dinge sehen. In diesem Beispiel sagte der Philosoph bereits rund 400 Jahre vor Christus: „Wie verwundert müssen die Menschen sein, wenn sie die Dinge zum ersten Mal richtig sehen.“

Und die Dinge „richtig sehen“, das können wir. Das ist die Berührung unseres Herzens. „ Aber wie gewaltig“, sagt Socrates weiter, „ist es, wenn wir von der Ketten der Höhle befreit hinaustreten in die große Natur, Licht, Helligkeit, Sonne. Das ist unsere unmittelbare Wirklichkeit, die in jedem Menschen von uns wohnt.“

Wolken kommen und gehen – ganz natürlich

Herzweisheit bedeutet unendlicher, weiter Raum, blauer Himmel und eine goldene Sonne mitten drin. Und das Zentrum dieser Sonne sind wir selbst. Unsere Vergangenheit, unser Karma, unser Weg, eine Summe von Erfahrungen, Verstrickungen, Gedanken, Gefühlen, Körperlichkeit und viele, viele Dinge, die im Hannyashingyo als „Skandhas“ benannt werden: Körpergefühl, Wahrnehmung, Bewusstsein – Bewusstsein in Sinne von Denken - erzeugen die Unmengen an Wolken, die diesen blauen Himmel verdecken. Zwar ist es so: Ohne diesen Himmel und ohne diese Sonne würden wir auch diese Wolken nicht sehen, denn das Licht strahlt auch durch sie hindurch. Dadurch, dass wir sie sehen, sind wir gleichzeitig Zeuge des Lichts dahinter. „White clouds naturally come and go“.

Wolken haben keine Wurzeln. Gedanken kommen und gehen - endlos. In dem Maß, in dem wir in sie hineingehen, verstricken wir uns. Entweder kämpfen wir mit ihnen oder wir ersehnen sie. Erst wenn wir inne halten, ist Stille. Wir beobachten, wie die kleine Gedanken und die großen schweren Gefühle kommen und gehen. Manchmal, hier und dort, ein kleiner Moment, der Himmel reißt auf, unser Herz wird berührt. Und wir kennen diese Berührung: es ist die Liebe.

Natürlich ist es so, dass die Liebe uns berührt, doch es dauert nicht lange und sie ist wieder verbunden wie die Wolken: Mit den Wolken von Beziehung, mit den Wolken der Erziehung von den Kindern, was auch immer. Aber berührt-sein ist auch schon ein Bezeugen. Das adelt uns Menschen.

Spirituelle Wege, besonders die des Mahayana Buddhismus, Zen oder die tibetische Ausrichtung sind ein Innehalten, eine Stille, ein Sich-Erden - das ist die Übung. Aber inmitten dieser Übung des Stille-Werdens, des Sich-Erdens, der Form, zu der wir unseren Willen benutzen können, unsere Sehnsucht benutzen können, da gibt es einen kleinen, besonderen Moment… und dann haben wir eine Chance dahinter. Und in diesem Moment der Hingabe - ein zartes kleines Gefühl oder ein gewaltiges, großes - können wir springen, ohne Furcht.

Meditation ist ein „befreit werden“ für den Moment

Christlich gesehen könnte man sagen: die Meditation ist ein „Bereitwerden“ für den Moment, in dem wir Gott begegnen. Im Zen würden wir sagen: Bereitsein für Freiheit und Herzweisheit.

Die unendliche Sonne der Herzweisheit scheint immer in uns. Die Momente aber, in denen die Wolkendecke reißt, gibt es hier und dort. Der Weg der Übung ist die Form, die Schale. Der Inhalt ist das Aufleuchten. Die Brücke zwischen beiden ist eure Sehnsucht. Das Berührt-sein, die Sehnsucht nach Verbindung, nach „Nach-Hause-kommen“, nach Frieden.

So grenzenlos wie der Himmel ist euer Herz und wenn ihr diesem begegnet,
wenn es sich öffnet, dann ist es wichtig, dieses Herz uneingeschränkt
einfach nur für euch selbst zu öffnen.
Es ist euer Erbrecht als Mensch.

So grenzenlos wie der Himmel soll mein Mitgefühl mit mir selber sein.
So grenzenlos wie der Himmel soll meine Liebe mit mir selber sein.
So grenzenlos wie der Himmel soll meine Freude mit mir selber sein.
So grenzenlos wie der Himmel ist meine Gelassenheit,
meine Freiheit in mir und durch mich selbst.

Und durch diesen Raum, der sich öffnet, immer weiter und weiter, ohne Grenzen, ist meine Verbindung mit anderen, zum Beispiel jetzt, hier: ein Herz. Es ist immer ein Herz zuerst auch mit euch selbst, dann alle anderen und dann alle Menschen in diesem Horizontkreis, in dieser Umgebung, alle Tiere, alle Wesen, und dann: Grenzenlos. Offene Weite.

Aus diesem Gefühl von Güte, Liebe, Freude und Gelassenheit in mir öffnet sich ein Raum für Güte, Liebe, Freude und Gelassenheit mit allen anderen. Verbindung.

Catvari Apramana Cittani

Maitri, Güte wie ein Sonnenmeer
Karuna, Liebe wie eine Mutter zu ihrem Kind
Mudita, Freude wie die Frühlingssonne
Upekkha, Gelassenheit wie ein stiller weiter Ozean

Die Verbindung dieser Herzsonne mit unserem Körper,
die Verbindung dieser Herzsonne mit unserem Gefühl ,
die Verbindung dieser Herzsonne mit unserer Wahrnehmung,
die Verbindung dieser Herzsonne mit unseren Willensregungen,
die Verbindung dieser Herzsonne mit unserem Bewusstsein,
ist die Verbindung zwischen mir und der Welt, Zeuge zu werden.
So reinige ich mein Denken, mein Reden, mein Handeln und so reinige ich mein Herz.

Und wenn mein Herz gereinigt ist, werden andere Wesen geboren, dessen Herz ebenfalls rein ist.


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