Wir brauchen den Lehrer im Außen, um unseren inneren Führer zu finden
Von Hinnerk Syobu Polenski
Ein Zen-Weg ohne Meister/Lehrer ist kein Zen-Weg und ein Widerspruch. "I-Shin, Den-Shin" – "von Herz zu Herz" oder "von Herzgeist zu Herzgeist" bezeichnet die Übertragung des Dharma vom Lehrer auf den Schüler.Dieser Vorgang jenseits des rationalen Verstandes wurde von Meister Eno schon vor 1300 Jahren in der sogenannten Plattform-Sutra beschrieben. Es ist das intuitive, blinde Verstehen, eine Art Gedankenübertragung. Und dazu sind zwei nötig: ein Meister/Lehrer und ein Schüler.
Viele glauben, diesen Weg alleine gehen zu können.
Ja: das wahre Selbst IST der endgültige Meister.
Ja: es gibt eine Freiheit, die in jedem ist.
Die Wirklichkeit IST (wie sie ist).
Doch: das ist die zweite Seite der Medaille. Zunächst muss der Mensch sein wahres Selbst finden, dann erst kann und muss er seinem "endgültigen Meister" folgen. Und auf dem Weg zu seinem wahren Meister, da hilft der Meister/Lehrer im Außen. Er ist ein Begleiter, ein Lotse, ein Bergführer und in dieser "Rolle" ist er auch erst ein Lehrer, dann ein Meister. Und wenn ich im folgenden von Meister spreche, dann meine ich immer diesen "Meister". Er hilft dem Menschen, der sich trennt und separiert. Die Person also, die sich dieser inneren Freiheit, dem wahren Selbst, (noch) verschließt, die Wirklichkeit selber prägt.
Der Meister hilft durch Initiation,
festigt die Form und bietet eine Sangha
Dadurch entstehen eine Menge Probleme. Und irgendwann sind alle Wege zur wahren Wirklichkeit, zum Wesentlichen verschlossen. Der Raum wird immer enger, die Widersacher im Schüler werden stärker. In diesem Moment ist es gut, einen wirklichen Lehrer, Meister an seiner Seite zu haben, der diesem Menschen sagt, wie er aus dieser Situation wieder heraus kommt. Der Meister hilft dem Schüler aber auch noch durch Initiation, festigt ihn in der Form und bietet ihm eine Sangha. Und irgendwann kommt (vielleicht) der Tag, an dem der Schüler mit seinem wahren, inneren Meister in Kontakt tritt. Dann erst hat sein Handeln wahre Herz-Kraft, um mit Mönch Obaku zu sprechen.
Zugegeben, bei den Lehrern im Außen gibt es Unterschiede und auf die gilt es zu achten. Ich vergleiche das einmal mit Tee trinken. Der Schüler fragt: "Lehrer, wie trinke ich Tee?". Der XY-Lehrer antwortet: "Nur trinken" und geht. Ein Zen-Meister aber reicht dem Schüler eine Schale, trinkt mit ihm den grünen Tee. Das erste ist selbstgefälliges Esoterik-Gelaber, das zweite ist mitfühlende Hilfe. Für heißen Tee brauche ich eine Form, sonst kann ich ihn nicht trinken. Eine Teeschale ist so eine Form. Aber wer die Tasse für Tee hält, der wird verdursten. Für Zen brauche ich eine Form. Zazen und Sesshin sind diese Formen. Und der Form folgt die Formlosigkeit.
Es gibt Momente der Öffnung
Zen ist keine Schule im herkömmlichen Sinn. Zen hat auch keine Stufen. Gleichwohl gibt es im Buddhismus viele Stufen-Systeme. Es gibt auch keine "Stufe von Glück". Ja, ich spüre eine Freiheit, ich spüre eine tiefe Erdung, ich spüre Helligkeit, Licht, Verbundenheit, Heimat, zuhause sein. Das ist aber keine Stufe, sondern DAS bin ich, mal mehr und mal weniger. Es gibt Momente der Öffnung. Dann spüre ich ES wieder. Doch wie geht es weiter, wer sagt mir, erklärt mir, was da gerade mit, in mir passiert. Auch dann ist der Meister, der Lehrer gefragt und gefordert. Es gibt sicherlich irgendwann mal auf dem Weg Punkte, Berührungen von Ebenen des Bewusstseins, Stufen der Versenkung , die ein Schüler mit seinem Lehrer bearbeiten sollte. "Stufen" sind nur dann sinnvoll, wenn Meister und Schüler sie gleichermaßen mit Erfahrung füllen können. Sonst haben sie keinen Wert.Der Schüler und der Meister sind und bleiben auf einer tiefen Ebene miteinander verbunden. Diese Verbindung ist ewig und sie geht von Meister zu Meister zurück bis zum Ursprung. Diese Verbindung ist das wahre Selbst, der wahre Meister. Und da schließt sich dann wieder der Kreis.
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