Zen, der Weg des Heilens - Teil 1: Entwickle das Heilsame in dir
Teil 1: Entwickle das Heilsame in dir
von Hinnerk Syobu Polenski
Der große historische Meister und erste Lehrer des Zen, Shakyamuni Siddharta Gautama Buddha selbst war wie ein Arzt, indem er die Diagnose stellte: „Alle Menschen sind krank.“ Nicht unsere möglichen körperlichen Krankheiten, nicht unsere Unruhe, unser Getriebensein, nicht unser unheilsames Wirken bis hin zur Selbstverlorenheit in Gier, Hass und Furcht sind die wahre Krankheit, sondern Nichtwissen.
Zen-Meister Ummon sagte zu seinen Schülern: “Arznei und Krankheit heilen sich gegenseitig.
Die ganze große Erde ist die Arznei.
Wo aber findest DU Dich selbst?“
Das ist ein Koan, was bedeutet es? Verblendung und Nichtwissen ist die Krankheit hinter allen anderen Krankheiten. Nichtwissen, heißt nicht zu wissen wer wir wirklich sind. Verblendung bedeutet Nicht-Liebe, Nicht-Einheit mit sich selbst, mit seinem Körper, mit seiner Lebensenergie, mit dem Geist. Der Ursache der Nichteinheit mit allem.
Das Grundleiden, die Grundkrankheit daraus ist ein Abgetrennt sein, ein Nicht-zu-Hause sein. Es ist Geistesblindheit, als Verschattung und Vertrübung der großen Liebe in uns. Die Liebe die wir wahrnehmen, beschränkt sich so häufig allein auf schmalen Lichtschlitze von gesellschaftlich und religiös Erlaubtem Die große Liebe verblüht in dem Kästchen von Erlaubt und Nichterlaubt, meist auf das Äußere gerichtet. Am wenigsten findet sie Heimat in mir selbst, für mich selbst - die einzige Voraussetzung, in Liebe mit allem zu kommen. Diese Herzblindheit bezeichnen die Zen Meister seit alter Zeit als die Große Krankheit, den Weg daraus als die Große Befreiung.
Herz (Kokoro) und Lebensenergie (Ki) – bilden eine Einheit und können nicht voneinander getrennt werden.
Es gilt, das gemeinsame Agieren von Herzgeist und Lebensenergie zu erkennen.
Wenn die Lebensenergie nach vorne vorauseilt, wird man stolpern.
Wenn sie sich aber gemeinsam mit dem Herzgeist bewegt, dann gibt es keine Probleme.
Die zehntausend Herausforderungen und Probleme rühren alle daher,
dass sich die Lebensenergie über das Herz hinaus bewegt.
Takuan Soho
Diese große Krankheit hat viele Phänomene:
- Körperliches Siechtum, das Ausbrechen einer spezifischen Krankheit, als letzter Versuch, den Sinn im Sinnlosen zu finden, ein letzter Versuch zurück zu sich zu finden.
- Ebenso kann schwere Disharmonie der Lebenskraft die Folge sein. Zu viel wird dann als Unruhe wahrgenommen, und zu wenig als Kraftlosigkeit, Apathie und Trägheit erlebt.
- Und natürlich auch unendlich viele Ausdrucksformen von geistig- psychischen Leiden. Von Panikattacken über Depressionen bis zur Verzweiflung inmitten einer sich von mir mehr und mehr entfremdenden Welt.
- Ein weiteres Phänomen, vorerst frei von äußerem Kranksein und sichtbarem Leid ist die Selbstflucht, Rastlosigkeit, und das grenzenlose Getrieben sein - oft endend in irgendeinem Hamsterrad einer gesellschaftlich gelobten Beschäftigung, einer scheinbar sinnvollen Arbeit.
- Und zu Letzt der Aspekt der großen Krankheit dem so keiner ausweichen kann:
Du wirst sterben!
Nichtwissen bedeutet Furcht, die wiederum die tausend wundervollen Früchte des Lebens vergiftt. Sichtbar und unsichtbar. Wissen bedeutet frei zu sein. Wie der Heiler des Herzens Shakyamuni im Moment der Einsicht ausrief: „Das Todlose ist gefunden!“
Wenn das Herz keinen Raum hat, sich zu entwickeln, reagieren Körper, Lebenskraft und Alltagsgeist mit Disharmonie. Wenn das Herz keinen Weg findet, stirbt es. Stirbt es, sterben Körper und Psyche in gleichem Maße. Deshalb ist es für die alten Traditionen des Ch‘an, des Zen, des Tao kein Wunder, ja geradezu Alltag, dass Menschen mit großer Krankheit, mit großem Leid, großer energetischer Verstrickung, die ihr Herz öffnen, im gleichem Maße körperlich und psychisch genesen.
Natürlich gibt es auf der körperlicher Ebene Grenzen, wenn die Krankheit zu weit fortgeschritten ist - hier kommt seit alter Zeit dann der Heiler ins Spiel. Aber es geht immer um das gleiche: die Öffnung des Herzens.
Shakyamuni Buddha, der erste Lehrer des Zen und seine Nachfolger, die Meister und Meisterinnen, und alle Menschen, die heilend, heilsam das Herz eines Menschen berühren können, sind wie ein großer Arzt. Er heilt, aber nicht die Krankheit, sondern die Ursache der Krankheit.
30.11.2012
Zen, der Weg des Heilens - Teil 1: Entwickle das Heilsame in dir