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Rohatsu, eine Etappe auf dem Weg zur Bergspitze

Rohatsu

Hinnerk Syobu Polenski

Das Rohatsu ist auch im Daishin Zen das wichtigste Sesshin des Jahres.

Dieses 7-tägige Sesshin, das traditionell Anfang Dezember, bei uns aber auch im Januar stattfindet, ist in der Form konsequenter als andere Sesshins, es richtet sich deshalb auch in erster Linie an Fortgeschrittene und Schüler und Schülerinnen.

Wer den Zen-Weg wirklich gehen will, der sollte das Rohatsu als einen festen Termin in jedem Jahr einplanen. Das Rohatsu bietet die Möglichkeit, angeleitet und in der Gemeinschaft ein Stück des Weges konzentriert zu gehen, Erfahrungen zu machen, sich zu entwickeln.

Im Daishin-Zen steht der Herz-Weg immer an erster Stelle. Auch in dem für viele Teilnehmer und Teilnehmerinnen hart anmutendem Rohatsu ist das so, ja besonders dort.

Im Daishin-Zen gehen die Schüler einen Weg: den Weg auf den Berg zur Bergspitze. Selbstverständlich gibt es keinen Berg und keine Bergspitze, die zu besteigen wäre. Es ist ein Bild in der relativen Sprache, also in der Sprache, in der wir uns im Alltag miteinander unterhalten. Mit dem Bild „der Weg zur Bergspitze“ drücke ich etwas aus, für das es keine Worte gibt. Der Finger, der zum Mond zeigt, IST nicht der Mond. Denkt also daran, dass das Bild ist nur ein Hilfsmittel ist. Der „Berggipfel und die Bergbesteigung“ sind Synonyme für den Weg zur Meisterschaft des Menschen: die Meisterschaft über sich selbst. Die drei Meilensteine im Daishin Zen

Eine Besonderheit des Daishin-Zen ist, dass es auf diesem Weg zum Berggipfel drei Raststätten gibt, drei Stationen, an denen wir schon einmal einen kleine Geschmack von der Gipfel-Erfahrung schmecken können. Diese drei Meilensteine sind Hara, Samadhi und Metta.

Sicher stimmt das, was Meister Nansen antwortete, als der junge Joshu ihn fragt: „Was ist der Weg?“ - „Der alltägliche Geist ist der Weg“. Und Joshu fragte weiter: „Wie finde ich denn diesen Weg?“ Meister Nansen antwortete: „Wenn Du versuchst ihn zu finden, dann verlierst du ihn.“ Sicher ist es so. Dennoch gibt es Erfahrungen auf diesem Weg, die wichtige Meilensteine für jeden von euch sind, aber auch zu großen Hindernissen führen können. Das Rohatsu ist eine Möglichkeit, solche Erfahrungen zu machen, ohne durch Hindernisse verwirrt zu werden.

Wer einen Meilenstein erreicht, der wird erfüllt von einem großartigen, wunderschönen Gefühl. Es ist ein Geschmack, ein erster Geschmack von dem, was die Meister mit Einheit bezeichnen. Mein alter Lehrer hat einmal gesagt: „Samadhi ist die Simulation von Satori“. Ihr bekommt eine Idee davon, wohin der Weg geht. Um Samadhi aber nicht mit Satori zu verwechseln, ist es gut, solche Erfahrungen auf dem Rohatsu mit dem Lehrer zu teilen.

Der japanische Weg ist für uns oft zu hart

Ein klassischer Weg in Japan, den wir in Europa selten gehen und der unbeliebt ist, ist der Weg: „No pain, no gain!“ Das heißt, das sehr intensive und lange Sitzen führt dazu, dass die Teilnehmer irgendwann Knieschmerzen oder Rückenschmerzen bekommen. Die sind in aller Regel absolut harmlos, aber belasten die Menschen doch sehr. Nun kommt die Konzentration im Zazen dazu – zu mehr ist der Mensch dann nicht mehr in der Lage. Das heißt: auf der einen Seite ist der Schmerz und auf der anderen Seite ist die Konzentration. Beide stehen auf einmal im Mittelpunkt, es gibt nichts anderes, nur Schmerz und Konzentration. Alles andere löst sich auf. Und das ist der Übungsweg, ein Trick sozusagen, um euch zu einer Erfahrung zu verhelfen. Wenn man das weiter verfolgt, dann läuft sehr vereinfacht ausgedrückt auf der Oberfläche erst einmal das Wahrnehmen von „Oh mein Rücken, oh mein Knie tut weh!“. Darunter aber wächst ganz sanft eine „Einheit“. Und irgendwann plötzlich bricht dieser Aspekt der „Einheit“ durch. Und genau an dieser Stelle, von einer Sekunde auf die andere, ist der Schmerz weg. Wir sitzen in einem wunderbaren Gefühl ................... und denken „Wow, das ist Samadhi“ - und schwups sind wir wieder raus ...

Das - bis zum Letzten ausgereizt - ist der japanische Weg. Dieser Weg ist durch sehr viele Jahrhunderte erprobt und weiterentwickelt. Doch die Strenge und Härte, mit der dieser Weg in japanischen Klöstern gegangen wird, ist mit Europäern nicht gehbar. Im Daishin Zen haben wir deshalb diese Methode “angepasst” an die Bedürfnisse, Gewohnheiten und die Kultur der Menschen hier im Westen. Angepasst und abgemildert - ja, aber so, dass die Möglichkeit, eine Erfahrung zu machen, einen persönlichen Meilenstein zu erreichen, geblieben ist.

In Japan dominiert der Gruppengeist, ich aber glaube an die Eigen-verantwortlichkeit jedes Menschen. Ein erfahrener Schüler weiß genau, was er tun muss. Und so gibt es im Daishin Zen immer zwei Möglichkeiten des Trainings - auch auf dem Rohatsu:

  1. Der Weg des Herzens, der Herz- Initiation. Auf diesem Weg stehen Hingabe und Leichtigkeit im Vordergrund.
  2. Der Weg des Yang-Zen oder Samurai-Zen. Das ist der Weg, den wir gehen, um unser kleines Selbst und den unheilsamen Widersacher in uns zu besiegen. Dieser Weg ist anstrengend, kraftvoll und mitunter auch kriegerisch.

Also jeder Schüler kann wählen zwischen herzvoller Hingabe und kämpferischer Konzentration: Schweißüberströmt erklimme ich mit aller Kraft das Bergplateau, lichte offene Weite, aus dem Nebel ein goldener Mond.

Der entscheidende Unterschied zum japanischen Zen ist die Freiwilligkeit. Sitzt im Daishin Zen ein Schüler die Nacht durch, dann tut er das nicht, weil er muss, sondern weil er etwas fühlt, es will, ihn etwas aus seinem eigenen Inneren dazu antreibt. Sehnsucht ist der Motor.

So hat jeder Schüler, jede Schülerin die Wahl. Es ist auch möglich, die Wege zu wechseln, mal Yin, mal Yang zum Schwerpunkt zu machen, je nachdem, was der eigene Weg gerade erfordert. Doch das entscheidet der Mensch, der Schüler ganz allein. Denn jeder geht seinen eigenen Weg!

Wir sitzen im Zazen und sind offen

Der Daishin Zen-Weg bedeutet, dass von Anfang an Transformation, Veränderung, Freiheit und Öffnung da sind. Und mitten im Chaos, im Leiden, das wir auch im Daishin Zen immer wieder erleben werden, praktizieren wir Zazen und sind offen. Und so wird es mehr und mehr zu einem Weg. Und irgendwann wird dieser Weg ein Weg, von dem wir nicht mehr „herunterfallen“ können. Das heißt, den wir nicht mehr verlassen werden. Und das ist dann wunderbar. Trotzdem sind wir noch im Chaos und Leiden gefangen, aber wir spüren: Der rote Faden ist da. Und mehr und mehr verändern wir uns, verwandelt sich unsere Gier, unsere Wut, unser Ärger. Es wird daraus ein Regen aus Funken, und in allem, was ihr seht, schimmert dann das eine Licht. Und ihr erkennt, dass das „Licht der unendlichen Sonne“ in eurem Herzen ist. Und dann fällt der andere Wahnsinn ab.

Wer bin ich? Der Weg wird offen und klar.

Catvari apramana cittani –
Maitri – Güte wie ein Sonnenmeer.
Karuna – Liebe wie eine Mutter zu ihrem Kind.
Mudita – Freude, Entzücken wie Frühlingssonne.
Upekkha – Gelassenheit wie ein stiller, weiter Ozean.

Maitri – Güte.
Karuna – Liebe.
Mudita – Freude.
Upekkha – Gelassenheit.

Maitri, Karuna, Mudita, Upekkha.

Atta dipa viharatha - Atta sarana ananna.

Du bist das Licht. Ruhe in dir selbst. Und sonst nichts.