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Begegnung mit mir selbst

Erfahrungsbericht eines Zen-Schülers: Martin, 41, verheiratet, zwei Kinder, Anwalt

 
Und plötzlich „sah“ ich die Blüte zum ersten Mal
Ich höre in meinem Leben so viele Menschen so viele Worte sagen, dass sich die Bedeutung von Worten für mich total relativiert hat. Ich neige manchmal dazu, den klugen Menschen zuzustimmen, die den Moment, in dem die Menschheit die Sprache entwickelte, als grauenvoll beschreiben. So ist es nur verständlich, dass ich Zen und das Schweigen im Zen sofort als Wohltat empfand. Mein Zen-Weg begann vor knapp drei Jahren. Ein Freund riet mir zu einem Zen-Seminar, schleppte mich damals quasi mit. Ich fühlte mich nach dem Sitzen viel besser als vorher. Ich war ausgeruht, klar und freudig, hatte wieder Lust zu sprechen. Und das ist bis heute so geblieben.
 

Mein Leben war wie aus dem Bilderbuch, trotzdem fehlte da was

Ich praktiziere seit vielen Jahren Yoga. Diese Praxis habe ich immer weiter intensiviert. Yoga ist nach wie vor ein wichtiger Bestandteil meines Weges und der Kern, ergänzt sich aber sehr gut mit Zen. Thich Nhat Hanh schreibt in einem seiner Bücher, man müsse auf zwei Wegen in Bewegung bleiben – entweder über Leiden oder Sehnsucht oder beides. Und in der Rückschau kann ich sagen, bevor ich mit Yoga begann, stand ich kurz vor einem großen inneren Leid. Ich war kurz vor diesem Moment, an dem man sagt, dass kann es doch nicht alles gewesen sein. Ich habe eine gute Familie, großartige Kinder, ein tolles Verhältnis zu den Eltern, ein Haus, alles ist wie aus dem Bilderbuch, und trotzdem fehlte damals etwas.

Ich vermisste das Gefühl, bei mir zu sein, spürte sehr viele leere Stellen – im Tagesablauf wie im „richtigen“ Leben. Das, was ich tat, und das, was ich fühlte, stimmte nicht überein, und die Energie, die ich damals oft verspürte, war nicht die Energie, die ich gerne spüren wollte. Das war der Motor, die vielen, vielen Dinge zu versuchen, die mich dann vor fünf, sechs Jahren zum Yoga brachten. Anfänglich habe ich sehr viele meditative Aspekte mit Yoga abgedeckt und später die dynamischen Aspekte dazu genommen. Jetzt durch Zen hat beides seinen Platz.

Den Moment, indem du beim Sitzen Schmerzen spürst, den kannst du übertragen auf dein alltägliches Leben

Das Sitzen in Stille führt zu einer stärkeren Fokussierung auf den Moment. Egal, wie dieser Moment ist. Und dieses Sich-selbst-besiegen, das im Zen ein großes Thema ist, hilft mir sehr in unzähligen kleinen Momenten wie auch im großen Rahmen. Ich übertrage sehr oft diesen Moment, in dem beim Sitzen ein Schmerz im Fuß zu spüren ist und ich mich wieder auf den Atem konzentriere, auf Situationen im Alltag und im Leben. Ich wende das „im Hara, in meiner Mitte sein“ in alltäglichen Situationen an, besinne mich darauf und schon ist das Problem nur noch halb so groß.

Das klappt natürlich nicht immer, aber immer öfter, immer schneller. Ich lernte in den letzten Jahren Menschen kennen, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie sich sehr oft auf dieser Ebene bewegen. Ob sie jetzt „erleuchtet“ sind oder nicht, ist mir völlig egal. Das spielt keine Rolle. Diese Menschen sind aus ihrer freudigen Gelassenheit in ihrem Mittelpunkt nicht herauszuholen. Das fasziniert mich. Ich wäre auch gerne soweit – irgendwann.

Mit mir und meiner Welt im Reinen zu sein, darum geht es wohl.

Und es gibt da noch eine andere Ebene. Sie ist nicht leicht zu benennen, aber ich beginne zu spüren, ganz leicht, ganz zart, dass da noch etwas anders ist. Es gab z. B. einen Moment in einer Meditation, ich saß morgens im Garten und fühlte, das Denken und das Fühlen waren nicht mehr getrennt, alles gehörte zusammen. Und solche Momente, diese Erfahrungen, Einsichten wirken sich nachhaltig auf mich und damit auf mein Leben aus, weil sie wahr sind, da ist dann plötzlich eine Art innere Gewissheit.