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Rohatsu Dezember 2020 – Ein Rückblick

Rohatsu Dezember 2020 – Ein Rückblick
 

Bericht einer online-Teilnehmerin

Groß war die Vorfreude auf diese besondere Woche im Zen-Kloster, meinem ganz persönlichen Kraftort mit den lieben Menschen dort und denen, die dort hinkommen. Im Zen ist das Rohatsu das wichtigste Sesshin des Jahres, um wie einst Buddha sieben Tage lang wie einen Tag zu meditieren. Doch wie schon bei vielen Veranstaltungen in diesem herausfordernden Jahr, machte uns das Corona-Virus erneut einen Strich durch die Rechnung und aus der Reise in meine zweite Heimat wurde nichts. Dies betrachtete ich dann, trotz Wehmut, aber zugleich auch wieder als ein gutes Beispiel für Zen – nämlich ganz mit dem zu sein, was ist.

Und bereits kurze Zeit später öffnete sich ein neuer Weg – die Einladung von unserem Zenmeister Hinnerk, das Rohatsu diesmal im virtuellen Kloster mit dem Klosterteam vor Ort an drei festen Zeitblöcken täglich mit zu sitzen. Im ersten Moment ein Zögern – sitze ich doch jobbedingt schon den ganzen Tag vor dem Laptop und das seit März im Wohnzimmer-Homeoffice. Hmm, und jetzt auch noch meinen Urlaub anstelle offline im ruhigen Kloster wieder im Wohn-/Arbeitszimmer vor dem Bildschirm verbringen? Aber da ich auch sonst recht rege am regelmäßigen Programm des virtuellen Klosters teilnehme, fiel die Entscheidung dann doch schnell: Ja, was eine großartige Idee – ich bin dabei! Neue Wege – neue Erfahrungen.

So wartete ich dann am Abend des 1. Dezember gespannt im „Vorraum“ des virtuellen Klosters auf Einlass. Mit dem Zutritt dann die Überraschung, neben dem Blick in die stimmungsvoll beleuchtete Zendo mit dem freudig strahlenden Klosterteam, fiel der Blick auf rund 150 weitere erwartungsfrohe Gesichter. Es war eine große Freude darunter so viele Freunde und Bekannte wiederzusehen und auch so viele neue Sangha-Mitglieder. Sogleich folgte eine herzliche Begrüßung durch das Leitungsteam, Sensei Waltraud und Jiku Piet, fortgeführt mit einer Vorstellungsrunde des Klosterteams in der Zendo. Eröffnet wurde das Rohatsu traditionell mit einer feierlichen Zeremonie. Die eingespielte Rezitation von Hinnerks Lehrer Reiko Mukai Roshi (Kossan) war für mich eine ganz besondere Freude. Die sich im Laufe der Woche noch einmal steigerte, als Hinnerk bekannt gab, dass Kossan auch ein Teisho für uns halten wird – ein wahrlich großes Geschenk.

Die nächsten Tage folgen einem gewohnt gleich bleibenden Rhythmus: Zazen am frühen Morgen mit Sporteinheit und Tee-Zeremonie von 5 bis 8 Uhr, Teisho von unserem Zenmeister oder einer Sensei um 17 Uhr, Zazen am Abend mit geführter Meditation oder Darshan und Sporteinheit von 20 bis 22 Uhr. Für mich persönlich bedeutet das um 4:30 Uhr ungewohnt früh aufstehen in den eigenen vier Wänden, was mir extrem schwerfällt. Aber etwas tief in mir treibt mich an, so sitze ich jeden Morgen halbwach aber pünktlich auf meinem Mediationsplatz. Hier bewundere ich in den nächsten Tagen insbesondere Waltraud, die uns auch nach dem nächtlichen Sitzen „Yaza“ im physischen Kloster, mit einer immerwährenden Frische so liebe- und kraftvoll in der Frühe und auch am Abend begleitet. Großer Respekt, denn in der Kloster-Zendo wird aus eigener Erfahrung ein Vielfaches von dem gesessen, was wir im virtuellen Kloster tun – und dann parallel noch eine riesige virtuelle Gruppe vor der Kamera zu begleiten, ist schon eine ganz besondere Leistung.

Im Anschluss an die Morgenrunden starte ich dann um 8 Uhr entweder voller Energie direkt in den Tag oder zugegeben, lege mich das eine oder andere Mal mit innerem Frieden doch noch mal ein, zwei Stündchen hin ;-) Hier fehlt dann doch der Zauberwald auf dem Klostergelände, der mich die Müdigkeit bei einem kontemplativen Spaziergang an der guten Allgäuer Bergluft vergessen lässt. Von meiner Wohnung ist die Natur leider weiter entfernt. Auch sitzen mir kräftemäßig die letzten stressigen Arbeitswochen noch im Nacken und die Gerätschaften hinter dem Esstisch erinnern hin und wieder daran. Dabei ist mir durchaus bewusst, dass einige Rohatsu-Teilnehmer sogar parallel arbeiten, wow. Aber genau all das ist eben Zen im Alltag. Dazu gehören auch unvorhersehbare Ereignisse, wie die Notfallbetreuung, die ich bei meiner Nachbarin akut leisten muss, die Türklingel, Baulärm und sonstige Geräuschkulisse in der Nachbarschaft. Meine Selbstversorgung und den Haushalt betrachte ich motivierender Weise als Samu.

Hinnerk Polenski Roshi
So geht die Zeit bis zum 17 Uhr Teisho dann auch sehr schnell um. Auf diese freue ich mich besonders und bedanke mich hier ganz herzlich bei Hinnerk für seine große Präsenz, die wertvollen Impulse und auch Waltraud und Constanze für Ihre berührenden Worte. Die tiefe Herzverbundenheit mit dem Kloster und der Sangha ist deutlich spürbar – sie trägt durch die gesamte Woche. Im Anschluss ist dann Zeit für das Abendessen und Einstimmen auf die Abendmeditation. Um 20 Uhr treffen wir uns wieder im virtuellen Kloster. Es ist wirklich das Gefühl, als würde man physisch in der Zendo vor Ort sitzen. Hier haben Piet, Alex, Klaus und das gesamte Klosterteam wirklich mit viel Hingabe Großes geleistet, dieses Ambiente durch optimale Raumgestaltung und Beleuchtung sowie moderne technische Ausstattung zu schaffen. Die vier Abendrunden sind über die Tage abwechslungsreich gestaltet. So kommen wir neben Zazen in den Genuss von geführten Meditationen und auch – meinem absoluten Highlight – Darshan mit unserem Zenmeister Hinnerk. Piet sorgt, wie schon am frühen Morgen, mit einer Sporteinheit tapfer dafür, dass wir unseren Köper auch in der Bewegung wahrnehmen und einen Ausgleich zum vielen Sitzen haben. Und so müde ich zeitweise auch bin, spätestens in der letzten Runde Zazen bin ich dann so tief versunken, dass ich nach dem Klang des Inkin einfach nur weitersitzen möchte. Der Wunsch nach Yaza kommt auf und wird auch einmal für eine weitere Runde umgesetzt, aber letztlich siegt dann doch die Müdigkeit – das eigene Bett ist einfach zu nah. Aber siehe da, kaum liege ich darin, wirbeln die Energien in mir. Irgendwann tauche ich dann in einen Yaza ähnlichen Zustand mit wenig Schlaf. Die Verbindung mit dem Kloster besteht also auch über die Nacht.

Auf einmal ist dann schon der Morgen des 8. Dezember – kaum zu glauben. Nach berührenden Abschlussworten von Waltraud und einer letzten Runde Zazen wird das Rohatsu ausgegongt. Voller Emotionen zeigt sich einmal wieder, ob im physischen oder virtuellen Kloster – sieben Tage meditieren sind wie ein Tag – vor allem in dieser besonderen Sangha. Von Herzen Dank für diese tiefe Verbundenheit – diese wertvolle Zeit in dem gemeinsamen Kraftfeld, die Ungeahntes möglich macht. Die Legende sagt, Buddha habe nach einer Woche durchgängigen Sitzens unter einem Bodhi-Baum im Morgengrauen des 8. Tages sein Erwachen erkannt. Das Wunder des Erwachens mag für unsereins vielleicht noch in weiter Ferne liegen, aber, ist es nicht wunderbar – das Licht ist an. Und die Reise hat gerade erst begonnen. Wie schön, dass wir sie gemeinsam begehen – sicher begleitet von unserem Zenmeister, den Senseis, den Meditationslehrern, dem Klosterteam und den vielen Zendos. 🙏🏽

Stefanie (Anadi) Meik, 13. Dezember 2020